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Stevia – das kalorienarme, für Diabetiker geeignete und keine Karies verursachende Süßkraut dient in Südamerika seit langem zum Süßen von Speisen. Mittlerweile hat es die ganze Welt erobert – nur nicht Europa. Noch nicht. Doch das könnte sich in Kürze ändern. Kommt die Zulassung von Stevia?
Was ist Stevia?
In Südamerika kennt man die süßende Kraft der Pflanze Stevia rebaudiana schon seit langem. Die Süßstoffe des Stevia-Krauts seien bis zu dreihundert Mal süßer als Zucker aus der Fabrik und auch ihre Blätter könne man essen, sie seien dreißig Mal süßer. Und „dabei sind überhaupt keine Kalorien im Spiel (im Gegensatz zu Rohr- und Rübenzucker – Anmerkung der Redaktion)“, sagt einer, der es wissen muss, in einem Interview mit dem Deutschlandfunk: Jan Geuns. Der Biologieprofessor aus Belgien habe sich seit 1997 dafür eingesetzt, berichtet die Online-Ausgabe des Radiosenders, dass die Pflanzensüße der Stevia-Extrakte in Europa zugelassen werde. Mit einem ersten Teilerfolg:
Stevia ab 15. November in Europa zugelassen?
Vor einigen Wochen habe die EU-Kommission eine Verordnung vorgeschlagen, schreibt der WDR-Online in seinem „Bericht aus Brüssel“, mit der Stevia in Zukunft in Europa erlaubt werden soll: „Die Süßextrakte dürfen demnach bestimmten Lebensmitteln in genau festgelegten Mengen zugesetzt werden – Marmeladen, Erfrischungsgetränken, Milchprodukten, Fruchtnektar und Frühstücksflocken beispielsweise.“
Im Moment läge dieser Verordnungsvorschlag noch zur Prüfung im EU-Parlament und im EU-Ministerrat, die bis zum 29. Oktober theoretisch noch Einspruch dagegen erheben könnten, berichtet der WDR aus Brüssel weiter. Doch dass das geschehe, sei demnach kaum zu erwarten. Auch die EU-Kommission rechne laut WDR-Bericht im Moment damit, dass sie selbst die neue Regelung am 15. November offiziell verabschieden könne. 20 Tage später wäre Stevia dann völlig legal in Europa zu haben.
Doch das ist Professor Geuns aus dem belgischen Leuven nicht genug: Er arbeitet laut WDR an einem weiteren Zulassungantrag, „der dafür sorgen soll, dass die Extrakte in größeren Mengen und vor allem in allen Lebensmitteln eingesetzt werden dürfen.“ Stevia, das laut Experten im Übrigen auch keine Karies verursache, könnte schon bald beispielswiese als Süßungsmittel den nicht unumstrittenen Süßmachern wie Zucker und seinen künstlich hergestellten Kollegen, Süßstoffe wie Aspartam, Saccharin, Cyclamat, Konkurrenz machen.
Stevia: Die ganze Welt süßt bereits ganz selbstverständlich mit Stevia – außer Europa
Also die Südamerikaner tun es schon seit Jahrhunderten. Doch das Honigkraut Stevia beziehungsweise Extrakte desselben versüßen Menschen in vielen Ecken der Welt inzwischen das Leben. Laut eines Stevia-Dossiers der „Zeit“ nutzten 2008 150 Millionen Menschen täglich Stevia: „Die Japaner süßen mit Stevia schon ihren Tee, dazu Softdrinks, Zahnpasta, Kuchen und Bonbons. Ein Renner ist Pocari Sweat, ein mit Stevia gesüßter Sportlertrank. … Stevia-Produkte gibt es in Korea, Malaysia, Mexiko und Israel zu kaufen – und die eifrigen Chinesen sind längst die weltweit größten Produzenten der grünen Süße. …In den USA ist Stevia zwar kein zugelassenes Lebensmittel, aber immerhin ‚Nahrungsergänzungsmittel‘. Weiße Stevia-Pillen stehen auf vielen Kaffeetischen. Im Drugstore bekommt man einen mit Stevia gesüßten Trunk namens Zevia – Geschmacksrichtungen: Zitrone, Orange, Ingwer und Cola. Der gilt in Hollywood als schick.“
In Europa haben bisher laut Wikipedia nur die Franzosen Stevia als Lebensmittelzusatz zugelassen. Und die Schweiz, die sich den europäischen Regeln nicht unterwerfen muss.
Hierzulande gab es – wenn überhaupt – Stevia bisher nur „getarnt als ‚Tiernahrung‘, ‚kosmetisches Produkt‘ oder ‚Badezusatz‘ – in Bioläden, gut sortierten Drogerien oder im Internet, heißt es bei der Zeit weiter. In Form getrockneter Blätter, als grünes oder weißes Pulver oder als flüssiges Konzentrat. Das war nicht immer so: Bis in die 1990er-Jahre gab es Stevia in Deutschland ganz normal zu kaufen: in Bio- und Teeläden oder Reformhäusern. Doch die Gesetzeslage änderte sich 1997. Seitdem fielen Stevia und Extrakte daraus unter die strengen Regeln der sogenannten Novel-Food-Verordnung. Eine Konsequenz dieser Neubehandlung der altbekannten und als Süßungsmittel seit Jahrhunderten bewährten Pflanze Stevia rebaudiana war zum Beispiel, dass Importeure „seitdem ein Verfahren durchlaufen, das eigentlich für gentechnisch veränderte oder synthetisierte Lebensmittel ersonnen wurde und in seiner Komplexität an die Zulassung eines neuen Medikamentes erinnert“, schreibt die Zeit 2008.
Stevia und die Deutschen heute
Mittlerweile haben sich viele mit der Pflanze Stevia beschäftigt. Auch hierzulande. So habe beispielsweise Christa Lankes, Agrarwissenschaftlerin vom Bereich Gartenbauwissenschaft der Universität Bonn, herausgefunden, dass sich Stevia in unseren Breitengraden mit gutem Ertrag anbauen lasse: „Sie stellt keine besonderen Ansprüche. Weinbauklima wäre bei uns in Ordnung. Das heißt, relativ warme, trockene sonnige Böden. Sie braucht durchlässige Böden, aber relativ viel Wasser, wenn sie im Hauptwachstum ist, das heißt, es sollten nur Anbauer Stevia in Erwägung ziehen, wenn sie über Bewässerungsanlagen verfügen“, sagte die Forscherin dem Deutschlandfunk.
Die Süddeutsche Zeitung (SZ) meldete dieser Tage den Erfolg einer mittelständischen Molkerei aus dem oberbayrischen Andechs in Sachen Stevia. Demnach habe das Bayerische Verwaltungsgericht in München am Dienstag bekanntgegeben, dass ein aus der Pflanze Stevia gekochter Tee als Süßungsmittel in Bio-Joghurts verwendet werden dürfe. Was nach einem kleinen Sieg für ein kleines Unternehmen klingt, könnte große Wellen schlagen. Doch nicht zu früh freuen, warnt die Stevia-Lobby: Das Internetportal Free Stevia, das sich selbst „weltgrößte Infoseite zu Stevia rebaudiana nennt“, stellt das ganz klar: „Verstehen Sie das also bitte richtig: die Inhaltsstoffe der Pflanze, die Steviolglykoside, werden voraussichtlich am 15. November 2011 als neue Zusatzstoffe zugelassen. Auf die endgültige Freigabe der Pflanze selbst müssen wir noch etwas warten.“
Vorausgegangen war der Gerichtsentscheidung laut SZ „ein Rechtsstreit zwischen einer mittelständischen Molkerei aus dem oberbayerischen Andechs und der Lebensmittelüberwachung im Landratsamt Starnberg. Die Molkerei Scheitz ( Andechser Molkerei Scheitz GmbH – Anmerkung der Redaktion) hatte den Stevia-Tee als Zuckerersatz in zwei Bio-Joghurts gemischt.“ Und weiter heißt es in der Online-Ausgabe der Zeitung: „Das Gericht hat die Lebensmittelüberwachung nun verpflichtet, das ‚Verbot des Inverkehrbringens‘ zu unterlassen. Ebenfalls darf nach der Entscheidung das Bayerische Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit keine Meldung in das europaweite Schnellwarnsystem einstellen. Dieses System ist in den Mitgliedsstaaten der EU installiert und dient dazu, Behörden und Verbraucher vor gefährlichen Lebensmitteln zu warnen. Eine Meldung im Schnellwarnsystem der Europäischen Union führt in der Regel dazu, dass sich Verbraucher vom gesamten Sortiment eines Lebensmittelproduzenten abwenden. Für mittelständische Betriebe kann dies das Aus bedeuten.“
Laut Aussage des Agrarwissenschaftlers und Stevia-Experten Dr. Udo Kienle von der Universität Hohenheim in der Apotheken Rundschau sei es trotz des Urteils „nicht sicher, dass der Joghurt auf dem Markt bleiben darf. Es kann gut sein, dass die Zulassung angefochten wird und der Bayerische Verwaltungsgerichtshof das endgültige Urteil fällt.“ Das halte demnach auch der Pressesprecher Dr. Dietmar Wolff vom Verwaltungsgericht München für möglich: „Zur Zeit befinden wir uns in einem Zwischenzustand, da die schriftlichen Urteilsgründe noch nicht vorliegen.“
Stevia bald in europäischen Lebensmitteln? Die Lebensmittelindustrie steht mit Produkten bei Fuß, melden die Medien
Laut Presseberichten stehe die Lebensmittelindustrie schon längst in den Startlöchern: Die US-amerikanischen Unternehmen Cargill und Coca-Cola drängten demnach mit ihrer gemeinsam entwickelten Stevia-Tafelsüße, Handelsname: „Truvia“, auf den europäischen Markt. Sie stehen damit in direkter Konkurrenz zu klassischen Süßungsmitteln wie Natreen. Begleitet werde die Markteroberung von einer aufwändigen Werbekampagne, die in Großbritannien startete und die auch in anderen Ländern folgen soll, schreibt beispielsweise der Deutschlandfunk. Danone habe einen Joghurt mit Stevia im Angebot, ebenso die Bio-Molkerei Andechser (siehe oben – Anmerkung der Redaktion) – und auch Stevia gesüßte Erfrischungsgetränke gebe es demnach bereits.
Kollektion, Fotograf und Urheberrecht: Goodshoot
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